Open Finance ist die Weiterentwicklung des Open Banking, also der Nutzung von Kundenkontodaten der Banken durch andere Dienstleister im Rahmen des Zahlungsverkehrs. Mit Open Finance soll das Verfahren auf alle Kontoführer in der Finanzwirtschaft, weitere Daten und Geschäftsarten ausgeweitet werden. Damit erhalten Drittanbieter auch Zugang zu den Kunden der Fondsbranche und der Versicherungswirtschaft. Ziel ist also der Zugang zu Kundendaten für alle Marktteilnehmer. Damit will die EU den Wettbewerb unter den Finanzdienstleistern und mit anderen Anbietern aus der Digital- und der Realwirtschaft stärken sowie innovative Produkte und -dienstleistungen fördern. Verbraucher und Unternehmen sollen die Möglichkeit haben, günstigere Produkte, eine noch bessere Beratung und personalisierte Dienstleistungen zu erhalten. McKinsey & Co. erwarten, dass bereits 2030 rund 30 Prozent der Bankumsätze durch Open Finance betroffen sein werden.
Für Finanzvertriebe kann dies erhebliche Auswirkungen haben. Denn die EU zielt mit Open Finance auf eine offene Vertriebsarchitektur.
Die EU-Expertengruppe für Finanzdaten („Expert Group on European Financial Data Space”), die im Oktober 2022 einen Bericht zu Open Finance an EU-Kommissarin Mairead McGuinness überreicht hat und in der der BVI das europäische Assetmanagement vertritt, schlägt Möglichkeiten für die gemeinsame Nutzung von Daten vor und illustriert diese an mehreren Anwendungsfällen. Zudem beschreibt die Expertengruppe die Schlüsselkomponenten für ein offenes Finanzökosystem in der EU.
Open Finance kann nur funktionieren, wenn die Daten ausschließlich zu dem vereinbarten Zweck geöffnet werden dürfen und der Daten- und Verbraucherschutz gewährleistet ist. Vor allem ist eine ausdrückliche Zustimmung jedes Kunden zur Weitergabe seiner Daten erforderlich. Denn Open Finance kann nur auf der Grundlage eines starken Vertrauens in die absprachegemäße Nutzung der Daten gelingen.
Zugleich muss Open Finance auf einheitlichen Wettbewerbsbedingungen beruhen, also auf gleichem und fairem Zugang zu den Daten. Um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, darf sich die Verfügbarkeit nur auf originäre Kundendaten (z. B. Kontonummer des Depots), nicht aber von den Unternehmen veredelte Daten (z. B. Ergebnisse von Risikoeinschätzungen, Geeignetheits- und Angemessenheitsprüfungen) beziehen. Ansonsten könnten sich Marktteilnehmer auf Kosten ihrer Wettbewerber eigenen operativen Aufwand ersparen. Das ist nicht der Sinn von Open Finance, auch wenn in der EU derartige Ansätze durchaus diskutiert werden.
Der Zugriff auf die Kundendaten soll über digitale Schnittstellen erfolgen. Um hohe Zusatzkosten für die Finanzunternehmen und die Kunden zu vermeiden, wird auf die Standardisierung der Schnittstellen hingearbeitet. Der BVI setzt sich dabei für die Nutzung von ISO-Standards zur Identifikation von Parteien und Geschäften, wie dem LEI (Legal Entity Identifier) ein.
Im Sommer 2023 hat die EU-Kommission einen Vorschlag für ein Rahmenwerk, die Financial Data Access (FiDA) Verordnung, vorgelegt. Der Ausschuss für Wirtschaft und Währung im EU-Parlament (ECON) hat den Berichtsentwurf im April 2024 mit einigen Änderungen mehrheitlich angenommen. Die Neuwahlen des EU-Parlaments im Juni 2024 haben den Gesetzgebungsprozess jedoch verzögert.
Der BVI geht davon aus, dass das neue Parlament auf die zuvor verhandelten Ergebnisse zurückgreifen und über die Aufnahme der interinstitutionellen Verhandlungen abstimmen wird. Ab dem 1. Juli 2024 übernimmt Ungarn die Ratspräsidentschaft. Es wird erwartet, dass der Rat Ende 2024 eine allgemeine Ausrichtung erzielen wird. Die Trilogverhandlungen zwischen Kommission, Parlament und Rat könnten dann Anfang 2025 beginnen und der Gesetzestext somit Mitte 2025 vorliegen. Angesichts der Verlängerung der geplanten Implementierungsphase auf 30 Monate könnte der Austausch von Kundendaten unter FiDA Anfang 2027 beginnen.